“Wisse niemals, was du sagen wirst, aber wisse immer, was du sagst."
(Madeleine de Scudéry)

Sprechen ist Schenken.
Nehmen wir das Grüßen: Wer jemanden grüßt, schenkt jemand anderem schwach dosierte Zuneigung. Jemand gibt jemand anderem etwas von sich, und durch das Geschenk wird eine Bindung zwischen Schenkendem und Empfangenden aufgebaut. Offen ausgetragene Gesprächskonflikte können ebenfalls Geschenke sein, eine Bindung aufbauen und Wahres zutage fördern. Aktiv-aggressive Wortbeiträge können, wenn die Wut frisch ist, als sinnvolle Unterbrechungen des Geschenkflusses dazu genutzt werden, Störungen im verbalen Präsente-Tausch zu klären. Passiv-aggressives Gesprächsverhalten trägt hingegen gar nichts offen aus, sondern ist eine Unterjubelung alt gewordener Wut. Auf der Hitliste der unbeliebtesten passiv-aggressiven Manöver ganz oben steht der tonfallgetarnte stille Vorwurf, dicht gefolgt von der (gerne als Flirt maskierten) Spitze.  

Beispiel: „Nein, es macht gar nichts, dass du das Fenster immer offen lässt. Mein Husten geht sowieso nicht mehr weg.“ Passiv-aggressives Gesprächsverhalten ist eine Art von Betrug. Die Empfängerin nimmt ein hübsch verpacktes Geschenk entgegen und freut sich darüber, doch nachdem sie es ausgepackt hat, findet sie darin eine hässliche Spinne vor. Der Betrug des passiv-aggressiven Kommunikationsverhalten besteht in Folgendem: Dem Empfänger wird etwas anderes versprochen (Hier bitte: ein hübsch verpacktes Geschenk) als am Ende gehalten wird (eine Spinne).

Oft wird der Einwand formuliert, es sei doch besser, Dinge „durch die Blume“ zu sagen, um sie durch die blumige Verpackung abzumildern oder zu versüßen. Dazu ist ein für allemal klarzustellen: Nein, ist es nicht. Eine Liebeserklärung wird durch die Blume vielleicht schöner. Eine Spinne wird dadurch nicht schöner, sondern hässlicher. Darüberhinaus ist passiv-aggressives Verhalten faul, denn es nötigt die Empfänger, das mühevolle Auspacken des Geschenks selbst zu übernehmen.

Verantwortungslos ist es auch. Der potenzielle Empfänger einer unverpackten hässlichen Spinne kann dem Schenkenden immerhin noch entgegnen: Nein danke, ich möchte dieses Geschenk nicht annehmen. Wer jedoch glaubte, etwas Schönes geschenkt zu bekommen und mit Entsetzen die Spinne entdeckt, hat sie gewissermaßen schon in seiner eigenen Wohnung und muss sich nun damit herumärgern, wie er das Tier wieder loswird.